Wie Corona unsere Sprache infiziert hat

Sprache ist immer ein Spiegel der Gesellschaft und versucht die Welt strukturiert in Worte zu fassen. Neue Phänomene und Situationen, auf die eine Gesellschaft reagieren muss, brauchen neue Wörter und Umdeutungen.

Corona hat die Jahre 2020 und 2021 bestimmt wie kaum ein anderes Thema. Mussten die Sprachen dieser Welt im ersten Pandemiejahr den Menschen noch begreifbar machen, wie eine weltweite Pandemie, ein Virus und das Eindämmen von Krankheiten funktionieren, stehen die Wortschöpfungen im zweiten Jahr unter dem Vorzeichen einer neuen Normalität. Vergleicht man die Liste der neuen Wörter in unterschiedlichen Sprachen lassen sich gesellschaftliche und regionale Unterschiede erkennen.

Das Unfassbare sprachlich greifbar machen

Im Jahre 2020 werden mehr und mehr Details, zu einem neuen Virus aus China bekannt. Anfangs glaubte man sich in Europa in Sicherheit – das sogenannte Wuhan- oder Chinavirus war weit weg. Doch schnell folgten auch erste Fälle in Europa und die Angst vor einem Corona-Tsunami wuchs als die ersten Coronatoten zu beklagen waren und Shut- und Lockdowns folgten. Worte wie social distancing, das Distanzbier oder die Corona-Mähne, die jeder aufgrund geschlossener Friseurläden auf dem Kopf trug, spiegeln die Ohnmacht und das Überwältigung mit der neuen und hoffentlich bald endenden Situation wider. Nach der ewigen Abschottung im Endloslockdown war die Gesellschaft coronamüde, der angefallene Coronamüll stapelte sich und Exitpläne in ein normales Leben wurden seitens der Regierung und der Behörden geschmiedet – ein Hoffnungsschimmer am Horizont, die Impfung mit dem neuen mRNA-Impfstoff.

Corona beherrschte die Medien, persönliche Gespräche, das öffentliche Leben und die Arbeitswelt. So informiert man sich über die geltenden Corona-Regeln, bezieht Überbrückungshilfen in der Kurzarbeit oder sitzt in stundenlangen Zoomcalls im Homeoffice.

Corona und das neue Normal

2021 stirbt die Hoffnung auf ein Leben nach Corona, das genauso aussieht wie vorher. Die Impfkampagnen laufen an, doch erste Virus-Mutanten tauchen auf. Eine Boosterimpfung muss her. Im Dienstleistungssektor werden Pläne eines hybriden Arbeitens immer deutlicher umrissen.

Die großen Entwicklungen verlaufen sprachlich in den meisten Sprachen gleich, basieren doch die Maßnahmen auf internationalen wissenschaftlichen Erkenntnissen. So finden sich in allen Ländern dieser Welt Schilder, die zum Tragen von Masken und dem Halten eines Mindestabstands auffordern. Hierbei werden die Menschen kreativ. Es werden Lieder ausfindig gemacht, deren Refrain genauso lange gesummt werden kann, wie auch die Hände gewaschen/desinfiziert werden müssen. In Finnland ziert jeweils ein Rentiere zwischen zwei Personen bildlich den nötigen 1,5-m Abstand auf den „Pidä turvaväli„-Schildern.

Bis Ende 2021 gibt es ungefähr 2.000 Neologismen mit Coronabezug in der deutschen Sprache.

Sprache als Spiegel der Gesellschaft

In den Listen neuer Wörter spiegeln sich auch die Probleme und Strömungen einer Gesellschaft wider. In Deutschland diskutiert man seit Beginn der Impfkampagne darüber, wie wirksam und vertrauenswürdig ein so schnell entwickelter Impfstoff nach einem neuen Verfahren sein kann. Impfgegner und Coronaleugner demonstrieren auf den Straßen. Die abfällig als Aluhutbürger bezeichneten Personen prägten ihrerseits den Begriff Maulkorb für den zu tragenden Mund-Nasen-Schutz. Das Phänomen der Skepsis gegenüber Impfungen ist durchaus nicht neu, findet aber im Lichte der Corona-Impfungen in vielen Sprachen wieder Einzug, so zum Beispiel beim dänischen antivaxer.

Im Norwegischen prägen ebenfalls die Wörter der Pandemie die Neuwortliste. Wort des Jahres in Norwegen wird jedoch ein brisanteres Wort mit Blick auf das nächste Jahr.

Die Probleme des hybriden Lebens

Ein Blick in die schwedische Nyordslista 2021 zeigt weitere, vor allem persönliche Probleme auf, mit denen Menschen in der Pandemie zu kämpfen hatten. Länder im Lockdown, geschlossene Arbeitsstätten, Kontaktverbote und der Umgang mit einem kleinen definierten Personenkreis, seiner persönlichen coronabubbla (Corona-Blase), führen bei zahlreichen Menschen zu psychischen Problemen und Isolation. Aber auch die Rückkehr in das normale Leben fernab der hybridarbete führt zu Problemen. So leiden immer mehr Personen an fono (fear of normal), also der Angst ins normale Leben zurückzukehren. Im Dänischen verwendet man das englische Wort reboarding, wenn es nach dem Homeoffice um die Rückkehr in das „normale“ Arbeitsleben geht.

Personen, die lange zu Hause sind, werden kreativ und suchen nach Ablenkung. Im Deutschen machen das vor allem Wörter wie Youtubeyoga und der Coronahund deutlich. Doch die Kehrseite ist nicht nur, dass Tiere alleine wären, wenn der normale Büroalltag fortgesetzt werden wird. In Schweden entwickelte sich das Wort djuränkling (Tierwitwer) und bezeichnet Tiere, die Herrchen oder Frauchen verloren haben und nun einen neuen Besitzer suchen müssen.

Fazit

Alle genannten Wörter können nur ein Auszug sein und sind nicht wertend. Stetig entwickelt sich unsere Sprache weiter und beschreibt neue Phänomene. Wer mit offenen Ohren durch die Welt geht kann sich über neue, spannende Wortschöpfungen freuen oder alte Wörter in neuem Gewand wiederentdecken.

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